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Antifragil: Warum wir Spannung brauchen, um nicht zu zerbrechen.

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Antifragil am Limit: Warum wir Spannung brauchen, um nicht zu zerbrechen

Wann hast du das letzte Mal gedacht: «Jetzt wird es dann ruhiger. Nur noch durch diese Phase durch – danach wird es stabiler.»?

Und? Wurde es stabiler? Oder kam einfach die nächste Welle?

Das Narrativ vom bald ruhigen Leben ist zäh. Es ist verständlich – aber es macht uns fragil.
Das Leben läuft nicht nach Plan. Unordnung ist Normalfall, nicht Ausnahme.

Wer innerlich auf das «Irgendwann wird alles wieder geordnet» wartet, gerät in eine gefährliche Warteschleife: Man lebt auf Sparflamme, hofft auf bessere Bedingungen – und wird genau dadurch verletzlicher.

Ich begleite seit über 10’000 Stunden Menschen an ihren Grenzen: Unternehmer, Führungskräfte, Athletinnen, Teams.
Eines sehe ich immer wieder: Es sind nicht die ruhigen Phasen, in denen Menschen an Tiefe, Klarheit und Präsenz gewinnen. Es sind die Spannungsmomente – wenn es eng wird, unangenehm, unübersichtlich.

Die Frage ist nicht: Wie vermeide ich Druck?
Die Frage ist: Was macht der Druck mit mir – und was mache ich mit ihm?

Antifragilität: Mehr als nur «widerstandsfähig»

Der Begriff «Antifragilität» stammt von Nassim Nicholas Taleb. Er unterscheidet drei Zustände:

  • Fragil: Zerbricht unter Druck.
  • Robust: Hält Druck aus, bleibt gleich.
  • Antifragil: Wird durch Druck stärker.

Ein Weinglas ist fragil. Ein Fels ist robust.
Dein Körper nach gutem Training – deine Psyche nach einer bewusst gemeisterten Krise – können antifragil sein: Sie kommen nicht in ihren alten Zustand zurück, sondern in einen erweiterten.

Resilienz zielt oft auf ein «Zurück zum Vorher».
Antifragilität zielt auf ein Danach, das es vorher nicht gab.

Genau dort beginnt es spannend zu werden – für Menschen, für Organisationen, für ein Land.

Die Schweiz als Spiegel: Stark durch Reibung – und jetzt?

Die Schweiz war historisch oft dann stark, wenn die Welt unruhig war: Finanzkrisen, Pandemien, politische Spannungen. Nicht, weil hier alles planbar war – im Gegenteil. Sondern weil das System bewusst Reibung und Korrektur zugelassen hat.

  • Direkte Demokratie als permanenter Stresstest: Volksabstimmungen reissen Politik immer wieder aus der Komfortzone.
  • Föderalismus als Experimentierfeld: Kantone und Gemeinden probieren aus, scheitern lokal, werden kopiert, wenn etwas funktioniert.
  • Liberaler Arbeitsmarkt und Berufsbildung: Viele Einstiege, Umstiege, Pfade – keine starre Einbahnstrasse.

Das ist Antifragilität auf Systemebene: Spannung zulassen, Experimente wagen, Fehler begrenzen, aber nicht verhindern.
Nicht der eine grosse Masterplan macht stark, sondern viele kleine, lebendige Anpassungen.

Heute beobachten wir etwas anderes: mehr Regulierungen, mehr Absicherungswünsche, weniger Mut zum Experiment. Die Erwartung wächst, dass der Staat alles ausgleicht, schützt, rettet.

Weniger lokale Irritation, weniger Zumutung, weniger Optionen.
Im Kern bedeutet das: weniger Antifragilität.

Was für ein Land gilt, gilt auch für uns als Menschen.

Antifragilität im Persönlichen: Grenzerfahrungen als alchemischer Prozess

Mich interessieren Grenzen, weil sie sich verschieben lassen.

Nicht im Sinne von «immer weiter, immer härter» – sondern im Sinne eines alchemistischen Prozesses: Aus Rohmaterial wie Stress, Schmerz, Angst oder Überforderung wird etwas anderes: Klarheit, Ruhe, Handlungsspielraum.

In meiner Arbeit nutze ich neben klassischen Ansätzen auch Körper und Geist als Zugang:

  • Atem
  • Kälte
  • Hypnose
  • Stille und Meditation
  • Bewegung

Nicht, um Menschen abzuhärten, sondern um sie feiner zu machen für das Wesentliche.
In der Kälte, im Atem, in der Stille wird sehr schnell sichtbar, was trägt – und was nicht.

Ein paar Beispiele (vereinfacht und anonymisiert):

  • Ein Unternehmer mitten in einer Krise, nachts wach, ständig im Kopfkino. Im Eis, im Atem, in geführten inneren Bildern erlebt er zum ersten Mal seit Monaten: Ich kann in maximaler Spannung ruhig bleiben. Das ist nicht Wellness – das ist eine Verschiebung seines inneren Referenzpunktes.
  • Eine Führungskraft im Dauerstress, getrieben, immer verfügbar. In strukturierten Belastungsreizen – Hypnose, Atempausen, bewusst gesetzte Grenzreize im Alltag – lernt sie, den Körper als Frühwarnsystem zu lesen und Spannung zu modulieren, statt dagegen anzukämpfen.

Unter Druck klar handeln, in der Spannung entspannen – das ist kein Spruch.
Es ist trainierbar. Aber nur, wenn du bereit bist, dich der Spannung bewusst auszusetzen.

Die Kunst der dosierten Spannung

Nicht jeder Stress macht stark. Viele Menschen sind nicht antifragil, sondern schlicht überladen.

Der Unterschied liegt in drei Punkten:

  1. Dosis

    • Wie im Training: Zu wenig Reiz → keine Anpassung.
    • Zu viel Reiz → Verletzung.
    • Antifragilität braucht überschaubare Zumutungen – Reize an der Schwelle, nicht darüber.
  2. Rahmen
    Du brauchst einen sicheren Rahmen, in dem du Grenzen testen kannst:

    • Mentale Führung, klare Struktur, verlässliche Begleitung.
    • Im Alltag: Rituale, Räume, in denen Spannung bewusst zugelassen und verarbeitet wird, statt sie wegzudrücken.
  3. Integration
    Nach dem Reiz braucht es Regeneration und Reflexion:

    • Was habe ich gespürt?
    • Was hat sich verschoben?
    • Welche Fähigkeit ist neu entstanden?

    Ohne Integration bleibt nur Erschöpfung. Mit Integration entsteht Tiefe.

Genau hier setzt meine Arbeit an: mehrdimensional, substanzorientiert, langfristig wirksam.
Nicht der schnelle Hack, nicht die Show.
Sondern eine Veränderung der inneren Statik.

Mehr Rollen, mehr Raum: Antifragilität jenseits der Einbahnstrasse

Menschen werden fragil, wenn sie alles auf eine Karte setzen:

  • Identität nur über den Job.
  • Wert nur über Leistung.
  • Sicherheit nur über Kontrolle.

Antifragile Menschen haben Optionen – innerlich wie äusserlich:

  • Mehrere Rollen (z.B. Unternehmer, Vater, Freund, Mensch).
  • Zugriff auf verschiedene Zustände: Fokus, Stille, Kraft, Präsenz.
  • Die Fähigkeit, zwischen diesen Räumen zu wechseln.

Antifragilität als Haltung

Antifragilität ist kein Zustand, den du einmal erreichst und dann «hast».
Sie ist eine Haltung:

  • gegenüber Druck
  • gegenüber Unsicherheit
  • gegenüber den eigenen Grenzen

Du kannst versuchen, dein Leben so zu organisieren, dass du möglichst wenig spürst.
Oder du kannst lernen, bewusst zu spüren – und genau dort Handlungsraum zu gewinnen, wo es eng wird.

Drei Experimente für deinen Alltag

Wenn du das Konzept nicht nur lesen, sondern erfahren willst, hier drei einfache, aber ehrliche Experimente:

  1. Kälte – bewusst gewählt

    • Dusche am Ende 30–60 Sekunden kalt.
    • Nicht verkrampfen, nicht wegdenken.
    • Bleib im Atem. Zähle deine tiefen Atemzüge. Spüre: Ich kann im Unangenehmen atmen.
  2. Atem im Stressmoment

    • Nimm dir bei der nächsten herausfordernden Situation (Konflikt, Meeting, schwieriger Anruf) genau 5 tiefe, bewusste Atemzüge, bevor du reagierst.
    • Einatmen durch die Nase, ruhig. Ausatmen etwas länger als einatmen. Spüre die Atmung.
    • Frage dich danach: Was hätte ich gesagt aus dem ersten Impuls? Was sage ich jetzt?
  3. Ein Gespräch, das du vermeidest

    • Wähle eine Person, mit der du seit längerem ein Thema vor dir herschiebst.
    • Vereinbare ein Gespräch, setz dir einen klaren Rahmen (Zeit, Ziel) – und halte die Spannung bewusst aus, ohne auszuweichen. Spüre sie ohne zu bewerten.
    • Beobachte: Was macht das körperlich mit dir? Wie fühlt es sich danach an?

Das sind keine Heldentaten. Das sind Mikro-Alchemien.
Kleine Grundstoffe, aus denen mit der Zeit etwas Grösseres entsteht: mehr Präsenz, mehr Klarheit, mehr Zugriff auf dich selbst – auch und gerade in anspruchsvollen Zeiten.

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